Huldrych Thomann: KGP geht am Hauptproblem vorbei

Warum verlieren denn heute so viele Menschen ihren Bezug zur Kirche? Ich würde dies mit folgenden Thesen erklären. Erstens: Die reformierte Kirche wird von der Öffentlichkeit und von der Bevölkerung zu wenig wahrgenommen. Zweitens: Es ist den Leuten nicht klar, was die Kirche eigentlich tut, was sie bewirkt, worum es ihr geht und welche Werte sie stiftet. Drittens: Eine zunehmende Zahl von Menschen zweifelt an der Glaubwürdigkeit der Kirche als Institution, an der Glaubwürdigkeit der kirchlichen Exponenten und an der Glaubwürdigkeit der von der Kirche verkündeten christlichen Botschaft.

Viertens: Manche Menschen fühlen sich von der Kirche nicht verstanden oder sie haben den Eindruck, dass die kirchlichen Amtsträger den Kontakt mit ihnen vernachlässigen, nicht suchen oder nicht ernst nehmen. Fünftens: Viele Leute empfinden die in der Kirche gepflegten Formen – die Sprache, die Gesänge, die Liturgie – als fremd, schwer verständlich, veraltet oder unzeitgemäss.

Die Infragestellung der Kirche ist somit umfassend. Sie stellt eine grosse Herausforderung dar. Es ist wichtig, dass die reformierte Kirche lernt, die biblische Botschaft in der Sprache der heutigen Zeit, mit den Bildern unserer Epoche und über die „Kanäle“ der modernen Gesellschaft zu verbreiten und verständlich zu machen. Dabei werden die Kirchen am Ort, die „Kirchen am Weg“ und weitere Formen kirchlichen Wirkens je ihre Rolle spielen müssen. Die Kirche muss unbedingt mehr Präsenz markieren, sie muss „zu den Menschen gehen“ und ihnen zeigen, dass diese für die Kirche ein Anliegen sind.

Es mag sich dabei tatsächlich als sinnvoll erweisen, wenn einzelne Kirchgemeinden fusionieren. Diese Gemeinden werden es von selbst merken. Die schematische Idee des Projektes „KirchGemeindePlus“ indes, wonach die Gesamtzahl der Zürcher Kirchgemeinden um die Hälfte reduziert werden soll, ist meines Erachtens abwegig. Die Landeskirche sollte sich im Gegenteil gerade heute zum Ziel setzen, mehr menschliche Nähe zu schaffen und die institutionelle Verankerung in den verschiedenen Regionen zu festigen. Dies kann – aufs Ganze bezogen – nur durch eine Stärkung, nicht durch eine Schwächung der traditionellen Kirchgemeinden erreicht werden.

Huldrych Thomann, Benglen, ist Präsident der Kirchgemeinde Fällanden und Mitglied der Kirchensynode.

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